Bergbaugeschichte

Geschichte der Bergwerksgemeinde
von Ortsheimatpfleger Gerd Fleischmann

Die Steinkohle prägte über Jahrhunderte die wirtschaftliche Entwicklung im Frankenwald

Als Ende März 1968 die Bergleute der Stockheimer Steinkohlenzeche „St. Katharina" zum letzten Mal aus 320 Meter Tiefe die „Schwarzen Diamanten" ans Tageslicht förderten, endete ein über 400-jähriger Bergbau im Haßlachtal. Ein Hauch von Melancholie lag über dem Werksgelände, als mit einer Girlande geschmückt, der letzte mit Kohle beladene Hunt aus dem Schoß der Erde ans Tageslicht befördert wurde.

Kumpels, Kohlen, Krisen: Diese drei Begriffe prägten über Jahrhunderte das Leben der Menschen im Frankenwald. In guten Zeiten arbeiteten bis zu tausend Männer und Burschen in den rund 20 Gruben unterschiedlichster Größe. An die 120 Millionen Zentner Steinkohle sind zwischen 1582 und 1968 gefördert worden. Der Abbau reicht also weit zurück. Reitsch machte 1582 laut Urkunde des Staatsarchivs Bamberg den Anfang. 1756 folgte Stockheim. Dem Entdecker, Oberförster Christoph Friedrich Gundermann aus Sachsen-Meiningen, wurde 1758 das erste Schürfrecht im Kohlenfeld „Vereinigter Nachbar" verliehen. Erst nach 1800 kommt es auch auf thüringischer Seite zu bergbaulichen Aktivitäten. 1836 übernahm der Sachsen-Meiningische Geheime Finanzrat Christian von Weiß einen schon vor 1800 angelegten Bohrschacht, den er nach seinem Landesherren „Bernhard-Grube" nannte. 1839 ließ Weiß die Grube „Sophie" abteufen, in der in Spitzenzeiten bis zu 400 Bergleute arbeiteten.

Nicht nur der weltberühmte Naturforscher Alexander von Humboldt beschäftigte sich von 1792 bis 1795 mit bergbaulichen Fragen im nördlichsten Bayern, sondern auch andere bekannte Persönlichkeiten. Zu den vielen prominenten Besuchern der ersten Grubenanlagen in Stockheim zählten Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach und Herzog Karl von Sachsen-Meiningen, die auf Anregung des Geheimrats Johann Wolfgang von Goethe am 26. Juni 1782 in Stockheim zwei Bergwerke besichtigten.

Nachdem in den Jahren 1843 bis 1845 vorübergehend auch Carl Joseph Meyer, der Verfasser des bekannten gleichnamigen Konversationslexikons", das Schürfrecht für vier Gruben erworben hatte, wurde 1863 Joseph Freiherr von Swaine, ein aus England stammender Industrieller, alleiniger Eigentümer aller Zechen. In dieser Zeit erlebte der Stockheimer Bergbau seine erste große Blüte. In sechs Gruben waren 1863 rund 700 Bergleute beschäftigt.

Nach dem Tode des Freiherrn Richard von Swaine im Jahre 1902 erwarb der Bayerische Staat von dessen Erben 1908 sämtliche Gruben, in der Hoffnung, der bayerischen Industrie eine Kohle zu sichern, die nicht mit hohen Frachtkosten wie bei der Ruhrkohle vorbelastet war. Man wollte nun einen Großbergbau aufziehen und holte dazu Ingenieure und Fachkräfte aus fremden Revieren heran. Diese verstanden es aber nicht, sich den ganz spezifischen Stockheimer Verhältnissen anzupassen. Sicherlich trug auch dieser Umstand wesentlich dazu bei, dass es im Frühjahr 1911 zur übereilten Einstellung und Schließung aller Gruben kam. 550 Bergarbeiter wurden dadurch schlagartig arbeitslos. Eine soziale Katastrophe bahnte sich an. Viele von ihnen wanderten in die Kohlenreviere Westfalens (Zeche Radbot) und Oberbayerns (Peißenberg/Peiting) aus. Ingolstädter Pioniereinheiten sprengten dann im Februar 1912 im Bahnhofsbereich die mit großem Aufwand erbaute Kohlenwäsche. Für die 1855 angelegte Vorzeigegrube „Maxschacht", die im Jahre 1900 bereits auf über 300 Meter abgeteuft war, war mit dieser Entscheidung das endgültige Aus besiegelt.

Allen Unkenrufen zum Trotze riefen noch im Jahre 1912 wagemutige Industrielle die „Kohlenbergwerk Stockheim GmbH ins Leben. Gefördert wurde nur noch auf der 1775 erstmals erwähnten Grube St. Katharina. Trotz zahlreicher Bemühungen kam es in der Weltwirtschaftskrise 1927 erneut zu einer schmerzlichen Stilllegung. 400 Beschäftigte wurden wiederum erwerbslos. 1929 gründeten die ehemaligen Bergleute, um eine Versteigerung abzuwenden, den „Bergbauverein St. Joseph". Am 28. September 1930 erfolgte dann die Umwandlung in die Bergbaugenossenschaft Stockheim und Umgebung. Die dazu erforderliche Einzahlung des Genossenschaftsanteils von 100 Mark je Genosse stellte für die Bergarbeiter in Anbetracht der langen Arbeitslosigkeit ein großes persönliches Opfer dar, das im deutschen Bergbau wohl einmalig sein dürfte. Einige Bergleute mussten sogar ihre letzte Ziege verkaufen.

Im Zuge der allgemeinen weiteren Arbeitsbeschaffung und mit wesentlicher staatlicher Unterstützung ist dann am 30. August 1935 die „Bergbau-Gesellschaft Stockheim/Ofr. mbH" gegründet worden, die sich aus der Bergbaugenossenschaft, der Gemeinde Stockheim und acht weiteren Gemeinden der Umgebung zusammensetzte. Bis 1936 wurde ein neuer Haupt- und Förderschacht bis zur 140-Meter-Sohle abgeteuft. Vorher wurde seit 1811 auf Katharina aus der Adam-Friedrich-Tagstrecke sowie aus einem östlich angelegten Schleppschacht die Kohle gefördert.

Ab 1952 teuften die Bergleute bis zur 320-Meter-Sohle ab. Außerdem wurden parallel dazu für eine relativ hohe Förderkapazität die erforderlichen Richtstrecken aufgefahren.

Die höchste Jahresförderung des Stockheimer Bergbaus erreichte man unter der Werksleitung von Diplom-Bergingenieur Rudolf Strak 1951 mit 90 000 Tonnen. Die damals fast 500 Mann starke Gesamtbelegschaft wurde aus Gründen des zurückgehenden Absatzes und durch Rationalisierungsmaßnahmen mehr und mehr reduziert. Unter der Werksleitung von Bergingenieur Rudolf Rossmann sind in den letzten Jahres mit immer noch bescheidenen technischen Mitteln erstaunliche Leistungsergebnisse erzielt worden. Wie die relative Förderleistung pro Mann und Jahr der Gesamtbeschäftigten verbessert werden konnte, geht aus folgender Aufstellung hervor: 1910 (ein Jahr vor der Einstellung) 79 Tonnen, 1951 bis 1960 durchschnittlich 205 Tonnen, 1967 dann 409 Tonnen.

Der Kohlenabsatz war bis zum 31. März 1968, also zum Tag der Schließung, vollkommen gesichert. Ganz im Gegensatz zu den anderen großen Kohlenrevieren lag in Stockheim keine einzige Tonne Kohle auf Halde. Was der Bergbau-Gesellschaft das Rückgrat brach, war das Fehlen entsprechenden Kapitals. Nur durch eine umfassende Modernisierung hätte das Bergwerk, das immer wieder vom Staat subventioniert werden musste, eine echte Chance für die Zukunft gehabt. Zur Zeit der Stilllegung floss das Öl reichlich, fast zu reichlich, und es war mit zehn Pfennigen je Liter spottbillig. Das Ende war also vorprogrammiert. Ende März 1968 erscholl in der Grube St. Katharina letztmals ein „Glückauf". Die Tradition des ehrwürdigen Berufsstandes setzen nun Knappenverein und Bergmannskapelle mit großem Engagement fort.


Das Steinkohlebergwerk St. Katharina in Stockheim im Jahre 1955


31. März 1968: Letzte Schicht auf Grube St. Katharina